Die Band "Odin" |
Die nach heutigem Kenntnisstand
ersten deutschen Coverversionen entstanden 1971. Aufgenommen hat sie
eine ProgRock Band namens „Odin“, die sich Anfang der 70er Jahre in
Bayern formierte - und die sogar um ein Haar zu den großen Rockbands der
70er Jahre gehört hätte. Warum es dann aber doch nicht dazu kam und was
ausgerechnet arabische Scheichs damit zu tun hatten, lohnt sich einmal
näher zu beleuchten:
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Jeff Beer heute |
Zu Beginn der 70er
Jahre zog es den 1952 in Mitterteich geboren Keyboarder Jeff Beer aus
der bayerischen Oberpfalz nach Regensburg, wo er als Keyboarder an einer
Hammond A-100 mit seiner Amateurband „Elastic Grasp“ den renommierten
Regensburger Jazz- und Rockpreis „Die Goldene Gitarre“ gewann.
Kurzzeitiges Mitglied der Band wurde später auch der in den Niederlanden
geborene Gitarrist Rob Terstall, der in Amsterdam Gitarre studiert
hatte, und damals in Deutschland lebte.
Die beiden Musiker gründeten
direkt nach Auflösung von „Elastic Grasp“ die Nachfolgeband „Odin“, mit
der sie professionell Musik machen wollten. Zu ihnen stießen noch der
Bassist Ray Brown und der Schlagzeuger Stuart Fordham. Beides Engländer
mit Erfahrungen als Studio- und Sessionmusiker. Die zwei Engländer
hatten mit Rob Terstall zuvor bereits bei „Honest Truth“ gespielt, die
als Band amerikanische Künstler bei Bühnenshows in Clubs der US-Army in
Deutschland und Italien begleitete. Brown und Fordham kamen eigens für
das neue Projekt „Odin“ wieder aus London zurück in die bayerische
Provinz. Diese nunmehr bayerisch/niederländisch/englische Formation zog
anschließend in ein kleines Dorf in der Nähe von Würzburg, wo Jeff Beer
inzwischen an der Staatlichen Musikhochschule studierte.
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Das erste Album |
Nach Anfangserfolgen
mit Liveauftritten in regionalen Clubs trat „Odin“ mit ihrem an Frank
Zappa oder „Gentle Giant“ orientierten Progressive Rock auch auf großen
Festivals auf. Dabei teilte sich die Band die Bühne mit großen
internationalen Acts wie der „Jeff Beck Group“, „Manfred Mann‘s Earth
Band“ oder „Ten Years After“. Kritiker und Fans bescheinigten „Odin“,
mit diesen großen Bands durchaus auf Augenhöhe zu spielen. Die sehr gute
Live-Performance brachte der Band schließlich einen Plattenvertrag bei
Vertigo/Phonogram ein. Schon 1972 nahmen sie in Hamburg das erste,
„Odin“ betitelte, Album auf.
Trotz guter Kritiken war der
kommerzielle Erfolg der Platte eher gering. Dennoch wurde die englische
Phonogramm auf das in Deutschland produzierte Album aufmerksam und
wollte „Odin“ 1973 auf eine England-Tournee schicken - für Rockbands zu
dieser Zeit durchaus eine Art „Ritterschlag“ und ein potenzieller
Karriere-Turbo. In London war sogar ein Auftritt im legendären
Marquis-Club geplant.
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Wiener Opec-Konferenz 1973 |
Doch dann platzten die
Tourneepläne völlig unvermittelt, als die Ölkrise 1973 in ganz Europa
zu Fahrverboten und einer tiefen wirtschaftlichen Krise führte. Die
arabischen Scheichs der OPEC hatten dem vom Öl abhängigen Westen
erstmals ihre Macht demonstriert und einfach den Ölhahn zugedreht - und
damit zugleich den wichtigsten Karriereschritt der aufstrebenden Band
„Odin“ zunichte gemacht.
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Leere Autobahn |
"Odins" Englandpläne
wurden von der Londoner Phongramm wieder eingestampft, weil
internationale Erfolge ohne unterstützende Tour nicht mehr zu erwarten
waren. Zu allem Unglück legte daraufhin auch noch die Hamburger
Phongramm das geplante zweite Album der Band auf Eis. Im Frühjahr 1974
löste sich „Odin“ frustriert auf.
Von der kurzen Schaffenszeit der
Band sind bis heute insgesamt drei Tonträger erschienen: Neben dem
regulären Album „Odin“ von 1973 gibt es noch die CD „Odin Live at the
Maxim“ mit einem Live-Mitschnitt, der im September 1971 im Club Maxim in
Schweinfurt aufgenommen und 2007 vom Label „Long Hair Music“
veröffentlicht wurde. Grundlage dafür waren Bänder, die Jeff Beer in
seinem persönlichen Archiv auf seinem heutigen Atelierhof in der
bayerischen Oberpfalz hütete. Als CD existiert zudem noch eine Aufnahme,
die „Odin“ 1973 auf einer Live-Session des Senders SWR in dessen Studio
in Baden-Baden für das Radio einspielte.
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Live-Album mit Neil Young Songs |
Die CD „Odin Live
at the Maxim“ enthält mit den 1971er Aufnahmen von “Ohio” und “Cinnamon
Girl” die wohl ältesten Neil-Young-Coverversionen, die je von einer in
Deutschland beheimateten Band offiziell auf Platte erschienen
sind.
Jeff Beer, inzwischen bildender
Künstler, Musiker, Komponist mit Staatsexamen und Meisterklassendiplom,
lebt und arbeitet heute im bayrischen Gumpen an der
deutsch/tschechischen Grenze. Er erzählte dem „Rusted Moon Blog“ im
Rückblick auf damals, dass die Auswahl der Coverversionen in der
Anfangzeit von “Odin“ auf das Repertoire der Vorgängerband „Honest
Truth“ zurückgingen. Man habe in der Startphase der Band 1971 zum Teil
auf eingespielte Stücke zurückgegriffen, bevor man eigenes Material für
das erste Studioalbum erarbeitet habe.
Bassist Ray Brown berichtet über
die damalige Songauswahl beim Vorgänger „Honest Truth“, dass er Neil
Young von „Buffalo Springfield“ kannte, die er aber nicht wirklich
mochte, und natürlich von CSN&Y. „Ich glaube, was ich an Neil Young
gut fand, war die Einfachheit der Akkorde, die zu einer eingängigen
Melodie führte“, erklärt Ray Brown, der heute als selbständiger
Zimmermann in England lebt. Schlagzeuger Stuart Fordham ist bereits 2003
verstorben.
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Album der SWR-Session |
Auch Jeff Beer hatte
Neil Young - noch vor seiner Zeit bei „Odin“ - erstmals bei CSN&Y
wahrgenommen. „Er fiel in der Zusammensetzung auf, spielte eine
eigenwillige, nicht immer fehlerfreie Gitarre“, erinnert sich Beer, „und
dann natürlich dieser Gesang.“
Als Jeff Beer jetzt nach all den
Jahren noch mal die Akkorde von CINNAMON GIRL anspielte, fiel ihm
sofort das gute Songwriting auf. „Gerade was die Feinheiten der
überraschenden Asymmetrien in den Akkordfolgen betrifft“, analysiert der
studierte Komponist, „das macht einen guten Song eben aus - und das
gibt ihm ein unverwechselbares Colorit.“ Beer besitzt aus der Zeit mit
"Odin" noch eine Les Paul Jr. mit Baujahr aus den 50er Jahren, die der
Keyboarder abseits der Bühne privat spielte - Genau das Gitarrenmodell,
mit dem auch Neil Young bei seiner ersten echten Band „The Squires“
spielte.
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Ticket des Konzerts 1973 im Londoner Rainbow. Als Begleitband wurden fälschlicherweise "The Eagles" genannt! |
Jeff Beers und Neil Youngs Wege
kreuzten sich damit nicht gerade zum besten Zeitpunkt ihres jeweiligen
Lebens: Während dem einen wegen des schnöden Erdöls gerade die Aussicht
auf eine internationale Karriere platzte, schien der andere einen schon
erreichten Welterfolg durch drogenschwere und das Publikum vergrätzende
Alben und Konzerte gerade wieder zu verspielen. Jeff Beer erinnert sich
rückblickend noch gut an die weiße Gretsch und die unverwechselbare
Stimme bei „Cowgirl in the Sand“, die sich ihm fest einprägte. Aber
auch daran, dass er „leider dermaßen betrunken war und infolge so
unvorstellbar miserabel spielte“, erzählt der bayerische Künstler,
„dass ich den guten Mann zunächst für einen schlechten Epigonen Neil
Youngs hielt.“
Aber immerhin: Nicht allzu viele Deutsche dürften die
legendär-chaotischen Konzerte der „Tonight’s The Night“-Tour live
miterlebt haben, Jeff Beer durfte – oder musste – es.
Odin - Besetzung:
Odin - Discographie:
Jeff Beer über "ODIN Live At The Maxim"
Internetseite von Jeff Beer: www.jeffbeer.de
Eintrag und Setlist auf sugarmountain.org von Neil Youngs Konzert 1973 in London.
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Von links: Rob Terstall, Jeff Beer, Stuart Fordham, Ray Brown |
- Jeff Beer (Orgel, Gesang)
- Rob Terstall (Gitarre,Gesang)
- Ray Brown (Bass,Gesang)
- Stuart Fordham (Schlagzeug)
Odin - Discographie:
- "Odin", 1973
- "ODIN Live At The Maxim 1971" - 2007
- "SWR-Session" - 2007
Jeff Beer über "ODIN Live At The Maxim"
Internetseite von Jeff Beer: www.jeffbeer.de
Eintrag und Setlist auf sugarmountain.org von Neil Youngs Konzert 1973 in London.
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